Miroslav Tichý

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Museum für Moderne Kunst

Domstraße 10
60311 Frankfurt am Main

8. März bis 3. August 2008

DAS LEBEN DES BOHÈME
Seine Kameras sind keine Kameras, wie man sie kennt – es sind aus Pappe, Dosen und Draht zusammengebastelte Apparate. Eine Retrospektive des sonderbaren Werks des Tschechen Miroslav Tichy.

Seine Lebensgeschichte klingt wie ein Märchen: Jahrzehntelang fotografierte Miroslav Tichy in einer tschechischen Kleinstadt heimlich Frauen – und galt als verrückt. Heute, im Alter von 79 Jahren, ist er ein Star. Geboren wurde Tichy 1926 in Mähren, in den späten vierziger Jahren begann er eine viel versprechende Karriere als Maler und Zeichner. Mit den kommunistischen Behörden lag er im Dauerclinch und zehn Jahre seines Lebens verbrachte er abwechselnd im Knast oder in der Psychiatrie. Die Repression des Systems schlug in seine Kunst zurück. Tichy hörte mit dem Malen auf und begann, wahllos Menschen zu fotografieren, heimlich, als wäre er ein desorientierter, durchgedrehter Spion.

Die aussergewöhnlichen Fotografien des tschechischen Künstlers Miroslav Tichý . Im freiwillig gewählten kulturellen und sozialen Abseits schuf Tichý zwischen 1960 und 1990 mit selbst gebauten Kameras ein hochoriginelles fotografisches Werk von verblüffender formaler Qualität. Sein Thema: die Anmut der weiblichen Figur. Den grössten Teil seiner fotografischen Ausrüstung bastelte er sich aus Konservendosen, Brillengläsern und Holzkisten mit viel Geschick und Fantasie selbst. Über Jahrzehnte hinweg machte Tichý jeden Tag über 100 Fotografien. Seine Arbeitsweise entsprach allerdings kaum konventionellen künstlerischen Gepflogenheiten. Vielmehr begleitete er mit seinen Kameras den Tagesablauf des weiblichen Teils der Bevölkerung seiner Stadt. So entstanden Tausende von Fotografien von Frauen: Frauen auf dem Markt, im Schwimmbad, bei der Arbeit, in Lokalen, auf der Strasse und auf öffentlichen Plätzen. Alsdann bestimmte Tichý mittels eines ebenfalls selbst gebauten Vergrösserungsapparats sorgfältig die Ausschnitte und überarbeitete seine Abzüge teilweise zeichnerisch; er kolorierte oder retuschierte diese und setzte sie zum Teil in individuell handgefertigte, bemalte Passepartouts ein.
Die Tatsache, dass Tichý sein gesamtes fotografisches Handwerkszeug (von den Filmen abgesehen) aus einfachsten Materialien selbst baute, die Fotografie gewissermassen für sich noch einmal erfand, erklärt sich wohl zum Teil aus schierer materieller Notwendigkeit, bringt aber auch einen unbeugsamen Willen zur völligen künstlerischen Autonomie gegenüber der totalitären Gesellschaft, in der er lebte und die seinem Schaffen nur Gleichgültigkeit oder Spott entgegen brachte, zum Ausdruck. Sein ehemaliger Nachbar, der heute in Zürich lebende Künstler und Psychiater Roman Buxbaum, hat Miroslav Tichýs Leben und Werk seit 20 Jahren fotografisch und filmisch dokumentiert; er bereitet zur Zeit ein Film-Porträt über den Künstler vor, das zur Ausstellung Premiere feiern wird.