Der Großneumarkt in den 70ern: Szene, Penner, Wochenmarkt

      Kommentare deaktiviert für Der Großneumarkt in den 70ern: Szene, Penner, Wochenmarkt

Der Großneumarkt ist ein Platz voller Hamburgischer Geschichte – davon zeugen architektonische Zeitzeugen wie die Pelikan-Apotheke, die alte Polizeiwache oder das Gebäude der ehemaligen Zentralbibliothek bei den Kohlhöfen. Für viele Hamburger der Gegenwart ist der Platz aber auch für seine umtriebige Kneipenkultur in den 70er und 80er Jahren bekannt.

Legendäre Namen für lange Nächte

Wen es zwischen den Siebzigern und den Neunzigern abends auf den Großneumarkt verschlug, der hatte je nach persönlichen Gusto die große Wahl: Man konnte entweder im „Star-Club II“, der hier nach seinem Auszug aus der Großen Freiheit am Alten Steinweg residierte, Live Rock’n’Roll erleben – oder im Cotton Club-Jazzkeller jungen Talenten beim Improvisieren zuhören. Eine Kneipe mit einem ganz anderen musikalischen Flair war das „Schwender’s“, wo sonntags klassische Stücke live erklangen. Und wem nicht direkt nach Musik zu Mute war, konnte in einer der vielen Kneipen die Szeneleute der Zeit beobachten und dabei ins eine oder andere Glas schauen.

Sherry, Guinness oder ein Helles – auf rustikalen Holzbänken

Bevor die Wohnungsbaugenossenschaft SAGA die Altbauten des Viertels renovierte oder ersetzte, bestand die Mieterschaft des Großneumarktes in erster Linie aus inländischen und ausländischen Hafenarbeitern, Rentnern, Studenten und sozial Schwachen – was in erster Linie an den günstigen Mieten lag: 87,– DM kalt für eine Dreizimmer-Wohnung in den 70ern, beispielsweise. Diese bunte Mischung durfte allerdings zumindest mitverantwortlich für die urige Kneipenkultur gewesen sein, die in dieser Zeit nahe des Michels entstand. Als Beispiel kann hier das „Café de tap“ genannt werden, das seine Gäste mit Pfannkuchen und holländischem Orangenlikör verwöhnte – oder das „Ahoi II“, das dem Namen gemäß gern von Seeleuten frequentiert wurde – und auch mal den einen oder anderen Obdachlosen beherbergte, wenn er „sich benahm“. Generell waren die Lokalitäten dabei eher rustikal eingerichtet, und ein eher gediegenes Publikum – aus dem „Sperl“ ertönten gern mal Wiener-Walzer-Klänge – kam im Großen und Ganzen mit den Bewohnern gut aus.
Auch bei den alkoholischen Kaltgetränken hatte man je nach Lokal die Wahl: Von Cocktails bis zu erlesenen Weinen war am Ende des Abends im Wortsinne „alles drin“, wenn man es wollte …

Gesellschaftliches Kontrastprogramm und der Wandel der Zeit

Allerdings konnte man in den Siebzigern tagsüber auch die Kehrseite einer Großstadt mit all ihrer gesellschaftlichen Dynamik auf dem Großneumarkt beobachten: Obdachlose etwa, die in den von den Händlern zurückgelassenen Holzkisten nach noch essbarem Ost und Gemüse suchten, wenn am Mittwoch und Freitag die Wochenmärkte mittags schlossen.

Nach einer gewissen Flaute in den Neunzigern hat sich das Restaurant- und Kneipenleben wieder mit einer neuen Generation von Gastronomen belebt. Einige „Überlebende“ aus den 70s und 80s sind aber geblieben – zum Beispiel der „Cotton Club“, oder auch die Rock’n’Roll-Boutique „Charmeuse“.

Bildrechte: Ivan Hafizov – Fotolia

Werbung